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Wenn du es eilig hast, gehe langsam

„Die Deadlines drücken, der Schreibtisch quillt über, und die To-do-Liste scheint endlos – in solchen Momenten greifen wir oft zu einem bewährten (und leider kontraproduktiven) Mittel: schneller arbeiten. Doch die Lösung liegt im Gegenteil: Wenn du es eilig hast, gehe langsam.“

Meine Erfahrung ist, wenn ich den Feierabend über einen gewissen Punkt nach hinten raus schiebe, ist die Fehlerdichte deutlich höher als sonst. Also, anstatt Dinge erledigt zu haben, sind Fehler entstanden und ich muss mich an die Korrekturschleife machen. Darum die Idee: wenn es eng wird, erst recht langsam zu machen. Nicht in Hektik verfallen, genug Pausen lassen, um durchzuatmen und um strukturiert weiterzumachen. Das gilt ganz besonders für Zeiten, in denen der Druck um uns herum steigt.

Was passiert, wenn wir „immer schneller“ machen?

Wenn wir immer schneller machen, setzen wir unseren Körper unter Stress. Dann treten die uralten, in uns verankerten Mechanismen in Kraft. Unser Gehirn schaltet in den „Flucht- oder Kampf-Modus“. Das bedeutet, dass wir in den Überlebensmodus geraten und unsere kognitiven Fähigkeiten, wie z.B. klares Denken, Problemlösung und Kreativität eingeschränkt werden. Gleichzeitig übernehmen Impulsivität und Tunnelblick die Kontrolle. Du weißt schon, das ist die Geschichte aus der Urzeit der Menschen mit dem Säbelzahntiger. Damals galt: Entweder du rennst oder du wehrst dich, sonst wirst du Katzenfutter. Heute begegnen uns diese Raubtiere aus der Frühzeit eher weniger, die Verhaltensmuster sind jedoch die gleichen. Mit unangenehmen Folgen:

  • Die Fehlerhäufigkeit steigt: Unter Druck neigen wir dazu, eher oberflächlich zu arbeiten. Wichtige Details können unter gehen und es entstehen Fehler.
  • Verlust der Prioritäten: Wenn die Arbeitsbelastung steigt, fühlt sich plötzlich alles dringend an und wir verlieren aus den Augen, was wirklich wichtig ist.
  • Emotionale Erschöpfung: Die permanente Hektik führt dazu, dass wir uns körperlich und mental ausgelaugt fühlen. Die Konzentrationsfähigkeit sinkt.
  • Zunehmende Konflikte: Weil wir uns vor lauter Arbeit nicht die Zeit für klare Kommunikation nehmen, entstehen vermehrt Missverständnisse und die Frustration steigt

Das Streben danach, Aufgaben schnell zu erledigen, um die To Do Liste zu verringern kann zu einem unangenehmen Teufelskreis werden: Hektik führt zu Fehlern, Fehler führen zu noch mehr Arbeit, der Druck steigt – und führt zu noch mehr Hektik. Am Ende bleibt nicht nur das Ergebnis auf der Strecke, sondern auch die Zusammenarbeit im Team und im schlimmsten Fall auch die eigene Gesundheit.

Doch wie entkommen wir diesem Kreislauf? Die Antwort liegt im bewussten Entschleunigen. Wie so oft klingt die Lösung simpel, aber die Umsetzung ist herausfordernd!

Wir müssen lernen, mit unserer Energie vernünftig umzugehen und das Tempo zu drosseln. Denn nur wenn wir bewusst innehalten, können wir Klarheit gewinnen und wieder die richtigen Entscheidungen treffen. Wie das gelingen kann, erfährst du hier.

Der Weg der Langsamkeit

Manchmal ist der schnellste Weg zum Ziel ein Schritt zurück. Im Song „Hoch“ von Tim Benzko heißt es: Ich gehe nicht zurück, ich nehm‘ nur Anlauf. Langsamkeit soll nicht verstanden werden als Trödeln, Verzögern oder Verschleppen. Unter Langsamkeit verstehe ich, dass wir uns Raum schaffen für Klarheit, Strategie und nachhaltige Entscheidungen.

Langsamkeit eröffnet uns die Möglichkeit, das große Ganze zu sehen. Um nochmals die Neurowissenschaften zu bemühen: Wenn wir langsam machen, aktivieren wir den präfrontalen Kortex, den Teil des Gehirns, der für rationales Denken und Planung verantwortlich ist. Damit verlassen wir den Flight-or-Fight-Stressmodus und gelangen in einen überlegten Zustand, in dem wir:

  • Bessere Entscheidungen treffen
  • Kreativer denken und
  • Effektiver Prioritäten setzen können.

Kurz: Langsamkeit bringt uns wieder in die Kontrolle.

Mit Hilfe von Langsamkeit werden wir produktiver. Eine berühmte Studie von Microsoft zeigt, dass Pausen und bewusste Reflexion die Arbeitsleistung signifikant steigern können. Pausen führen nicht nur zu besserer Konzentration, sondern reduzieren den Stresspegel signifikant. Schon wenige Minuten reichen, um die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern.

Was bedeutet „gehe langsam“ konkret?

Stell dir vor, du hast ein verknotetes Seil in der Hand. Je mehr du daran zerrst, desto fester zieht sich der Knoten zusammen. Doch wenn du kurz innehältst, die Lage bzw. den Knoten betrachtest, kannst du an den richtigen Stellen ansetzen, um den Knoten langsam zu lösen. So funktioniert auch der Weg der Langsamkeit: Hektik verstärkt die Probleme, Langsamkeit hilft bei der Lösung.

Langsamkeit ist also eine bewusste Entscheidung. Sie bedeutet

  • Prioritäten zu setzen: Ist das, was dringend erscheint, wirklich wichtig?
  • Klarheit schaffen: Wo will ich hin und was ist der sinnvollste nächste Schritt?
  • Energie bewahren: Statt sich in Hektik zu verlieren, konzentriert Energie auf das Wesentliche lenken

Doch wie setzen wir das Prinzip der Langsamkeit konkret um, ohne dass es uns ausbremst? Ich zeige dir einige praktische Tipps, mit denen du langsam gehst, aber trotzdem vorwärtskommst.

4 Tipps, die du sofort umsetzen kannst

Tipp 1: Nutze Mikropausen.

Schon eine Mikropause von 1 Minute kann dir dabei helfen, dich wieder zu fokussieren. Hier sind einige Ideen, wie du die Mikropause angehen kannst:

  • Setze dich entspannt auf deinen Stuhl, schließe die Augen, wenn du magst. Atme tief ein, halte den Atem kurz an und atme wieder aus. Wiederhole diesen Zyklus 4-5 mal, um innerlich zur Ruhe zu kommen.
  • Schaue bewusst weg vom Monitor, am besten durch ein Fenster. Lasse den Blick in die Weite schweifen, ohne zu fokussieren. Atme dabei bewusst ein und aus. So erlaubst du deinen Augen, sich wieder zu entspannen und damit entspannen sich auch deine Gedanken.
  • Nutze Elemente der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson.
    Eine Übung, die du auch gut im Büro durchführen kannst: Schließe die Augen, lege deine Hände entspannt auf deine Oberschenkel. Jetzt schließe die rechte Hand zur Faus und erhöhe den Druck ganz bewusst. Wichtig dabei: ruhig weiteratmen, ohne sich zu verkrampfen. Halte die Spannung für einige Sekunden, dann löse die Faust wieder und lege die Hand entspannt auf deinen Oberschenkel. Wiederhole das ganze mit deiner linken Hand.

Tipp 2: Die Eisenhower-Matrix: Prioritäten statt Dringlichkeitsfalle

Um bei hoher Arbeitsbelastung den Überblick zu behalten, ist die Eisenhower-Matrix ein bewährtes Werkzeug. Sie hilft dir, Aufgaben in vier Kategorien einzuteilen: wichtig und dringend, wichtig, aber nicht dringend, dringend, aber nicht wichtig und weder dringend noch wichtig. Diese Einteilung macht es leichter, Klarheit zu gewinnen und gezielt Prioritäten zu setzen, statt sich im Dringlichkeitswahn zu verlieren.

Die Eisenhower-Matrix ist ein Koordinatensystem. Auf der x-Achse reicht die Kategorie von nicht dringend bis dringend. Auf der y-Achse reicht die Kategorie von nicht wichtig bis wichtig. Entsprechend werden Dinge einsortiert.
Die Eisenhower-Matrix hilft dabei Prioritäten zu setzen

Die Kategorien geben dir konkrete Handlungsanweisungen:

  • Wichtig und dringend: Sofort erledigen, da sie Priorität haben.
  • Wichtig, aber nicht dringend: Terminieren, um langfristige Ziele zu erreichen.
  • Dringend, aber nicht wichtig: Delegieren, wenn möglich, um Ressourcen zu sparen.
  • Weder dringend noch wichtig: Ignorieren oder streichen, da sie keine echte Relevanz haben.

Besonders in der Flut von E-Mails ist die Matrix ein wertvolles Hilfsmittel. Viele Nachrichten, die uns „dringend“ erscheinen, sind oft nur unnötige Ablenkungen – etwa, wenn sie im cc-Verteiler landen. Hier hilft die klare Kategorisierung, den Fokus auf die wirklich relevanten Aufgaben zu lenken und deinen Tag strukturiert zu gestalten. So kannst du effektiv arbeiten, ohne dich in unwichtigen Details zu verlieren.

Tipp3: Klarheit schaffen

Darf ich dir ALI vorstellen? Viele meiner Kundinnen und Kunden lieben ALI, weil diese Methode so einfach zu merken und dabei gleichzeitig sehr hilfreich ist.

ALI steht für Atmen, Lächeln, Innehalten. Wir nutzen die Methode, um bewusst Raum für Überlegungen zu schaffen. Wenn alles um uns herum hektisch wird, nehmen wir uns die Zeit, um bewusst zu atmen. Siehe auch Mikropause – Atemübung. Atme 2-3 mal tief ein und aus. Lächle, auch wenn dir gerade nicht nach lachen zu Mute ist. Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen echtem Lachen und gefaktem Mundwinkelhochziehen. Das wichtige dabei ist, dass die Muskeln durch das Lächeln auf unser Nervensystem wirken und damit Stress reduzieren. Wenn wir Innehalten können wir uns überlegen, worauf wir uns jetzt fokussieren wollen, wie unsere nächsten Schritte aussehen sollten.

Tipp 4: Selbstreflexion

Die Selbstreflexion gehört zu den kleinen Methoden, die wir uns leicht angewöhnen können und die einen Unterschied machen. Selbstreflexion ist wie ein innerer Boxenstopp: ein kurzer Moment des Innehaltens, um Energie zu tanken, Klarheit zu gewinnen und den eigenen Kurs zu überprüfen. Sie hilft, bewusst wahrzunehmen, was gerade geschieht – im Kopf, im Herzen und in der Umwelt. Durch gezielte Selbstreflexion fragst du dich beispielsweise: „Was beschäftigt mich gerade?“, „Was ist mein eigentliches Ziel?“ und „Welche nächsten Schritte machen wirklich Sinn?“

Ein bewährtes Werkzeug dafür ist ein täglicher oder wöchentlicher Check-in. Du nimmst dir wenige Minuten Zeit, um aufzuschreiben, was gut lief, wo Herausforderungen lagen und welche Veränderungen nötig sind. Besonders hilfreich ist es, dabei den Fokus auf die eigenen Werte und langfristigen Ziele zu legen. Das stärkt nicht nur die Verbindung zu deinen Bedürfnissen, sondern hilft dir auch, in turbulenten Zeiten fokussiert und handlungsfähig zu bleiben. Selbstreflexion ist kein Luxus, sondern eine Investition in deine innere Stabilität – denn wer sich selbst besser versteht, kann auch souveräner auf äußere Anforderungen reagieren.

Ich nutze dafür seit ca. 2 Jahren meine eigene Version eines Bullet-Journals. Mir gefällt am Bullet-Journal, dass ich mir jeweils zu Jahresbeginn, Quartalsbeginn, Monatsbeginn und Wochenbeginn klar mache, was für mich wichtig ist, welche Termine anstehen und welche Schritte zur Zielerreichung notwendig sind. Genauso kann ich umgekehrt reflektieren, was gut und hilfreich war, wo ich nachsteuern kann und welche Ziele noch Bestand haben und wo ich neu denken sollte.

Der Wert der Langsamkeit

Langsamkeit ist kein Luxus, sondern eine kraftvolle Strategie – besonders in Zeiten, in denen der Druck wächst und uns Hektik beherrschen will. Indem wir das Tempo drosseln, schaffen wir Raum für Klarheit, Fokus und sinnvolle Entscheidungen. Der Weg der Langsamkeit hilft uns, nicht nur kurzfristig leistungsfähig zu bleiben, sondern langfristig gesund und erfolgreich zu sein. Es geht nicht darum, weniger zu tun, sondern das Richtige zu tun – mit Bedacht, mit Plan und vor allem mit Bewusstsein.

Manchmal bedeutet Langsamkeit auch, den Mut zu haben, gegen den Strom der Eile zu schwimmen und sich bewusst für Qualität statt Quantität zu entscheiden. Denn wer innehalten kann, hat die Chance, Fehler zu vermeiden, Prioritäten richtig zu setzen und die Kontrolle zurückzugewinnen. So wird aus vermeintlichem Stillstand ein kraftvoller Schritt nach vorn.

Oder, wie Heike Drechsler es gestern bei ihrem Vortrag anlässlich des Neujahrsempfangs 2025 der Karlsruher Frauengemeinschaften formulierte: „Wer langsam geht, kommt weit.“ Genau darin liegt die Stärke der Langsamkeit: Schritt für Schritt den Weg zum nachhaltigen Erfolg zu gehen – mit Klarheit und Erfolg.

Die Weisheit der Langsamkeit zeigt uns, dass nachhaltiger Erfolg weniger davon abhängt, wie schnell wir rennen, sondern wie klar unser Blick und wie sicher unser Schritt ist.

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